Verändert sich der Chronotyp?

Der Chronotyp ist nicht erlernt, sondern folgt einer genetischen Prädisposition. Dies hat zur Folge, dass wir uns nicht aussuchen können, ob wir Früh- oder Spättyp sind.

Oft werde ich daher gefragt, ob sich der Chronotyp im Laufe des Lebens oder durch bestimmte externe Faktoren verändern lässt. Meine Antwort: Jain. Der grundsätzliche Chronotyp ändert sich nicht. Wer ein Frühtyp ist, wird nicht zum Spättyp und umgedreht. Alleine in einem unserer Projekt zeigte sich zwischen dem frühesten Frühtyp und dem spätesten Spättyp eine Spanne von ganzen 13,5h. Folgende Faktoren haben Einfluss auf den Chronotyp:

BodyClock Chronotyp Test Informationen

Dein Chronotyp ist abhängig von der Vergleichsgruppe

Die Chronotypeneinteilung selbst erfolgt genau genommen nicht durch ein natürliches Einteilungsschema, sondern auf Basis simpler, vom Menschen gemachter Statistik.

Beispiel:

Chronotyp Spättyp Eule

Nach dem aktuellen Verteilungsschema der Chronotypen unter der deutschen Bevölkerung, geht ein leichter Spättyp gegen 00:30 Uhr ins Bett. Der Anteil der Teilnehmer. bei dem dies als Einschlafzeit ermittelt wurde, liegt in der aktuellen Statistik bei etwa 12,5%, gegenüber knapp 16% bei dem eine natürliche Einschlafzeit von ca. 0.00Uhr ermittelt wurde. Die Bezeichnung „Normaltyp“ basiert nicht auf einer genetischen Beurteilung, sonder beschreibt die größte Gruppe innerhalb der Gesamtverteilung. Wäre der Anteil nun genau umgedreht, also 12,5% würden um 0:00Uhr zu Bett gehen und 16% um 00:30 Uhr, dann würden Letztere zu den Normaltypen zählen, und Erstere zu den leichten Frühtypen.

In der Abbildung sieht man die Chronotypenverteilung auf Basis einer Erhebung in den USA. Blau ist die Gruppe der Personen zwischen 20 und 24 Jahren, rot die Gruppe zwischen 70 und 74 Jahren. Betrachtet man nun nur die Gruppe der Senioren, dann ist liegt hier der Normaltyp ca. 30-45 Minuten später als in der der Gruppe der jungen Menschen.

Im Endeffekt ist früh, normal und spät somit genauso relativ zu betrachten wie groß, normal und klein. Die Einteilung ist immer in Relation zur Gruppe derer zu sehen, mit der man verglichen wird. Somit kann es sein, dass man im Vergleich mit den Einwohnern Berlins zu den Frühtypen zählt, und im Bayrischen Wald zu den Normaltypen. Auch kann der Vergleich mit einem anderen Land schon zu einem anderen Chronotyp für dich führen.

Aktuell erfolgt eine Einteilung der deutschen Gesamtbevölkerung auf Basis einer seit über 20 Jahren laufenden Erhebung mittels Fragebogen (MCTQ) der LMU München. Alle aktuellen Verteilungsgrafiken der Chronotypen basieren auf dieser Erhebung. Durch den neuen RNA-Chronotypentest der Fa. BodyClock, wird die Gruppe derer, die ein entsprechendes Testergebnis haben, immer größer. Wie sich dann die Verteilung in der Bevölkerung ggfs. verändert, wird sich zeigen.

Ausgangspunkt für die Einteilung ist jedoch immer ein individueller, von anderen unabhängiger Faktor wie z.B. der DLMO (RNA-Chronotyp-Test) bzw. die Schlafmitte (MCTQ-Fragebogen). Für weitere Maßnahmen im privaten oder Unternehmensbereich ist somit der Chronotyp nur ein Anhaltspunkt, arbeiten sollte man mit den konstanten Faktoren wie DLMO oder Schlafmitte.

Verändert sich der Chronotyp durch die Sommerzeit?

Eine weitere Frage, die ich häufig auch in Interviews gestellt bekomme ist, ob sich der Chronotyp in der Sommerzeit anpasst oder nicht.
Auch hier lautet die Antwort „Jain“.
Eine aktuelle Studie hat gezeigt, dass sich der DLMO im Sommer durchschnittlich um 1h nach vorne verschiebt. Dies mag nun allen Sommerzeitbefürwortern wie Öl herunterlaufen. Allerdings hat das Ganze einen Haken. Denn es ist nicht die Sommerzeit, die diese Verschiebung auslöst, sondern der Sonnengang im Sommer an sich. Denn der inneren Uhr bzw. dem DLMO ist es völlig egal, wie wir unsere Zeit messen. Das bedeutet dass sich die innere Uhr quasi von einer zur anderen Sonnwende um 1h verschiebt, und nicht verursacht durch die Zeitumstellung.

Zum anderen ist das Ergebnis eben nur eine Schnittbetrachtung. Es gibt Menschen, bei denen verschiebt sich die Zeit noch extremer und solche, bei denen verschiebt sie sich gar nicht. Der wichtigste Punkt ist jedoch die Justierung mit der Sonne. Für die innere Uhr ist „Mittag“ immer der Zenith der Sonne. Das bedeutet, dass sich unabhängig von Sommer- oder Normalzeit, der Zenith der Sonne nie mit verschiebt. Der Sonnengang ist jedoch zentrales Element für die Justierung der inneren Uhr.

Als extremes Beispiel:
Im äußersten Westen Spaniens steht zur Sommersonnenwende die Sonne um 14.40 Uhr im Zenith. Während also dort die Menschen im Sommer oft schon kurz vor dem Feierabend stehen, ist es für den Körper noch „Mittag“. Die Abläufe im Körper stehen somit nach wie vor im Widerspruch zu den Abläufen in der Gesellschaft.

Sonnenstand Sommerzeit
Zenith der Sonne in der Sommerzeit

Der Chronotyp selbst verändert sich durch die Sommerzeit jedoch genaugenommen gar nicht, da sich der Durchschnitt der Verschiebung über alle Menschen rechnet (sieh Erläuterung Vergleichsgruppe). Es verschiebt sich lediglich im Durchschnitt der DLMO. Unsere innere Uhr stellt sich auch keineswegs auf die Sommerzeit ein, somit findet auch keine evolutionäre High-Speed Anpassung statt. Es gibt lediglich ein kleines Zeitfenster um die Sommersonnwende herum, in der sie möglicherweise für einen gewissen Anteil an Menschen keine oder reduziertere negative Auswirkungen hat. Die Problemstellung wird sich jedoch dann verschärfen, wenn die Sommerzeit zur Normalzeit wird, also ganzjährig bestehen bleibt. Denn in Herbst, Winter und Frühjahr ist der durchschnittliche temporäre Sommereffekt nicht gegeben, und die meisten müssen nun über einen langen Zeitraum noch extremer gegen ihre innere Uhr leben.
Und für alle, die das Argument „Gewöhnung“ ins Feld bringen, sei dieser Artikel ans Herz gelegt.

https://www.wieden.com/chronobiologie-news/gewoehnung-ein-fataler-trugschluss/

Verändert sich der Chronotyp im Alter?

Die dritte Möglichkeit der Verschiebung des Chronotypen ist altersbedingt. Allerdings gilt auch hier, es ändert sich nicht grundsätzlich der Chronotyp. Von der Geburt an schlafen Säuglinge bis zu 16h am Tag. Dies reduziert sich ständig, bis zur Pubertät. Ab diesem Zeitpunkt verstetigt sich dann der natürliche Schlafbedarf bei durchschnittlich 8h. Bis dahin macht es keinen Sinn, einen Chronotyp ausmachen zu wollen. Mit der Pubertät beginnt sich die biologische Einschlafzeit jedoch nach hinten (später) zu schieben. Von Beginn der Pubertät bis zur Adoleszenz (bei Frauen 1 Jahr früher als bei Männern), verschiebt sich dieser um bis zu 2,5h, sodass im Alters-Peak (bei Männern ca. 20,5 Jahre, bei Frauen ca. 19,5 Jahre) die durchschnittliche Schlafmitte bei Männern ca. bei 5.30Uhr, und bei Frauen bei 4.30 Uhr liegt.

Genau hier liegt auch der Grund, warum es keinen Sinn macht, Jugendliche früher in Bett zwingen zu wollen. Das wäre so, als ob man Jugendliche in Kinderschuhe pressen wollte. Die Gene haben hier eine Entwicklung vorangetrieben, die nicht aufhalt- oder umkehrbar ist. Erst ab der Adoleszenz werden wir im Schnitt ganz langsam wieder früher, bis wir mit 60 ungefähr wieder den Punkt der Pubertät erreicht haben. Auch hier ist zu beachten, dass Jugendliche nur scheinbar ihren Chronotypen verändern. Denn dies geschieht nur im Vergleich mit allen Altersgruppen. Vergleicht man nur die Altersgruppe zwischen 12 und 20 Jahren, wären viele Spättypen eher Normaltypen.

Verändert sich nun der Chronotyp?

Der individuell natürliche Zeitpunkt deiner steigenden Melatoninausschüttung (DLMO) ist der Ausgangspunkt. Dieser wird am exaktesten über einen RNA-Test ermittelt. Die Einteilung in einen Chronotyp erfolgt dann dementsprechend darauf basierend, sowie unter Berücksichtigung der Vergleichsgruppe.

Es ist wichtig zu wissen, dass der Chronotyp per se keine genetische Eigenschaft ist, sondern in seiner Einteilung einer genetischen Prädisposition (in diesem Fall dem DLMO) folgt. Das ist so, wie mit der Schuhgröße. Die ist keine genetische Eigenschaft, sondern lediglich eine Mensch gemachte Maßeinheit, die einer genetischen Prädisposition (der Länge des Fußes) folgt. Wenn wir also wissenschaftlich exakt sein wollten, müssten wir uns zu allererst immer die grundsätzliche Basiseinheit (Länge des Fußes oder eben DLMO) ansehen. Der Chronotyp ist lediglich ein Hinweis auf eine Bandbreite innerhalb eines gruppenspezifischen Verteilungsmusters.